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Geschäftsbericht 2018

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Alexander Oberdieck
Bildungsreferent
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Klaus Kaiser war 8 Jahre Leiter der Volkshochschule im Hochsauerlandkreis und ist seit 2000 Abgeordneter des Landtages in Nordrhein-Westfalen. Seit dem 30. Juni 2017 ist er der erste Parlamentarische Staatssekretär für Weiterbildung in der Geschichte des Bundeslandes. Zu dem Themenschwerpunkt unseres Geschäftsberichts „Politische Bildung weiterdenken“ haben wir ihn zu der Weiterbildungslandschaft in Nordrhein-Westfalen, gegenwärtigen Entwicklungen und zukünftigen Herausforderungen befragt.

Der Geschäftsbericht 2018 bietet wie gewohnt einen Überblick aller Aktivitäten von Arbeit und Leben NRW. Die Beispiele des Themenschwerpunkts stehen exemplarisch für Herausforderungen, die sich wie ein roter Faden durch unsere Bildungsarbeit ziehen. Dazu zählen die Einbindung wenig erreichter Zielgruppen, die Erschließung neuer Lernorte und Formate sowie die Übertragung vorhandener Kompetenzen auf neue Handlungsfelder. Es freut uns sehr, dass wir für das Interview zu dem Themenschwerpunkt den Parlamentari-schen Staatssekretär Klaus Kaiser gewinnen konnten, der im Ministerium für Kultur und Wis-senschaft des Landes Nordrhein-Westfalen für die Weiterbildung zuständig ist.

Ein Fragen Interview mit dem Parlamentarischen Staatssekretär Klaus Kaiser

1.    Seit 1949, also nunmehr 70 Jahren, arbeiten der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Volkshochschulen in Form von Arbeit und Leben NRW zusammen, um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Zugänge zu Weiterbildung zu ermöglichen. Was hat sich seitdem verändert und was ist gleichgeblieben?

In den 70 Jahren seit der Gründung von Arbeit und Leben konnten viele Erfolge errungen werden. Beispielsweise die Einführung des Bildungsurlaubs, die auf eine Forderung von Arbeit und Leben zurückgeht. Damit wurde die Weiterbildung aus ihrem Nischendasein der 50er Jahre herausgeholt und für eine wachsende Zahl von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zugänglich. Auf diese Weise hat Arbeit und Leben die Weiterbildungslandschaft entscheidend mitgestaltet und sicherlich auch mit verändert. Doch nach wie vor stehen Land und Weiterbildungsverbände und ihre Einrichtungen vor der großen Aufgabe, mit Weiterbildungsangeboten die gesamte Gesellschaft zu erreichen. Ich freue mich, dass Arbeit und Leben nicht nachgelassen hat, dieser Herausforderung immer wieder mit Innovationen zu begegnen. Insbesondere bei der aufsuchenden politischen Bildung hat Arbeit und Leben NRW ja eine echte Vorreiterrolle eingenommen.


2.    Der inhaltliche Kern von Arbeit und Leben ist und bleibt die Demokratiebildung, um die Partizipation der Menschen in Betrieb und Gesellschaft zu unterstützen. Die Landeszentrale für politische Bildung spielt für alle Expertinnen und Experten der Demokratiebildung naturgemäß eine wichtige Rolle. Wie aktuell und zeitgemäß ist für Sie die Struktur und der Auftrag dieser Akteure?

Der Auftrag, den Sie ansprechen, also die Demokratiebildung, ist aus meiner Sicht heute angesichts der gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen vor denen wir stehen, aktueller denn je. Und ich finde, wir sind in Nordrhein-Westfalen mit unserer vielfältigen politischen Bildungslandschaft sehr gut aufgestellt. Die 40 Einrichtungen der politischen Bildung haben inhaltlich und bezogen auf ihre Formate sehr unterschiedliche Schwerpunkte und können somit besonders zielgruppenbezogen arbeiten. Die Landeszentrale für Politische Bildung kann als zentraler Akteur durch Förderung oder Kooperationen inhaltliche Akzente setzen und ein Forum für den Austausch bieten. Die Vorteile, die sich aus dieser bundesweit einzigartigen Struktur ergeben, sind aus meiner Sicht nach wie vor ein Erfolgsgarant für den politischen Bildungsstandort NRW.

 

3.    Die Demokratiewerkstätten der Landeszentrale sind als Projekte zur Politischen Bildung vor Ort sehr erfolgreich. Innovative Projekte und Kernaufgaben stehen aber auch immer in einem Spannungsverhältnis. Wenn Sie sich entscheiden müssten: Mehr innovative Vorzeigeprojekte oder stattdessen eine höhere strukturelle Förderung?   

Für mich besteht grundsätzlich kein Widerspruch zwischen Projekt- und Strukturförderung. Beides gehört zusammen und muss in einem guten Verhältnis zueinanderstehen. Wir brauchen verlässliche Strukturen genauso, wie wir innovative Projekte brauchen. Auf die Mischung kommt es an.
Die Demokratiewerkstätten im Quartier sind ein sehr gutes Beispiel dafür, dass sich innovative Projekte in vielen Fällen nur dann umsetzen lassen, wenn auch eine entsprechende Struktur vorhanden ist. Umgekehrt ist es in Projekten leichter möglich, neue Ideen umzusetzen und auszuprobieren. Das ist in seiner Bedeutung nicht zu unterschätzen.

 

4.    Die Landesregierung hat sich die Stärkung der gemeinwohlorientierten Weiterbildung auf die Fahnen geschrieben und mit der Rücknahme älterer Kürzungen und der Dynamisierung der Förderung Wort gehalten. Jetzt steht eine Reform des Weiterbildungsgesetzes (WbG) bevor. Wo sehen Sie die zentralen Herausforderungen, damit es am Ende keine Verlierer gibt und eine auskömmliche Förderung für alle Beteiligten steht?

Für mich ist wichtig, dass wir das Gesetz im Dialog mit der Weiterbildungslandschaft erarbeiten. Ich muss wissen: Was sind die Bedarfe der Praxis? Was läuft gut? Was nicht? Eine zentrale Rolle spielt dabei natürlich die von Ihnen angesprochene Finanzierung. Ich bin ausgesprochen froh, dass die Landesregierung mit der Rücknahme der Kürzungen frühzeitig die Weichen dafür gestellt hat. Es ist aber unser erklärtes Ziel, die plurale öffentlich verantwortete Weiterbildungslandschaft in Nordrhein-Westfalen weiter zu stärken und so aufzustellen, dass sie weiterhin schnell und flexibel auf neue Herausforderungen reagieren kann.

Mir ist auch wichtig, dass wir das Weiterbildungsgesetz so weiter entwickeln, dass es gemeinsam von den demokratischen Fraktionen im Landtag getragen wird. Das war immer eine gute Tradition in der gemeinwohlorientierten Weiterbildung und das soll es auch weiterhin bleiben!


5.    Von unseren Kolleginnen und Kollegen in anderen Bundesländern werden wir für das schlanke und unbürokratische WbG beneidet. Wie hoch sind aktuell die Chancen, dass es auch so bleibt, oder geht es vielleicht sogar noch besser?

Diese Landesregierung hat sich vorgenommen, Bürokratie abzubauen. Ob hier beim Weiterbildungsgesetz noch Spielraum liegt, das sollten wir gemeinsam beurteilen, wenn wir konkret in die Novellierung gehen.

 

6.    Integration, Digitalisierung, Rechtspopulismus - drei Beispiele für große Herausforderungen, vor denen wir stehen. Wie stellen Sie sich dabei die Rolle der gemeinwohlorientierten Weiterbildung vor?

Lassen Sie mich mit einem Bild antworten: Es war immer eine besondere Stärke der gemeinwohlorientierten Weiterbildung mit den vielen kleineren Einrichtungen als schnelle „Beiboote“ reagieren, gesellschaftliche Trends oder Entwicklungen aufgreifen zu können und beispielsweise neue Formate zu entwickeln und auszuprobieren, die jüngere oder andere Zielgruppen erfolgreich ansprechen. Denken Sie beispielsweise daran, wie schnell die gemeinwohlorientierte Weiterbildung auf den Bedarf an Angeboten zur ersten Sprachförderung für Geflüchtete reagiert hat. Schnelligkeit und Flexibilität, beides ist gefordert, wenn wir an neue Anforderungen denken, die auf Einrichtungen, Lehrende und Teilnehmende durch unsere zunehmend digitale werdende Lebens- und Arbeitswelt zu kommen. Wenn ich an meine letzten Vor-Ort-Besuche in Volkshochschulen oder anderen Weiterbildungseinrichtungen denke, dann sind wir hier auf einem guten Weg! Machen Sie also weiter!