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Grundbildung im Betrieb

Kontakt

Patrick Varney
Bildungsreferent
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Telefon: 0211 - 938 00 23
Mobil: 0171-9746583
Fax: 0211 - 938 00 28

Rund 6,2 Millionen Deutsch sprechende Erwachsene im Alter zwischen 18 und 64 Jahren haben große Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben; weitere zehn Millionen erreichen nicht das Kompetenzniveau im Lesen und Schreiben, das eigentlich mit dem Ende der Grundschule gegeben sein sollte. Der Grundbildungsbereich von Arbeit und Leben nimmt sich diesem Problem an und arbeitet mit Betroffenen und Beteiligten an der Verbesserung der Situation.

Was ist eigentlich Grundbildung?

Grundbildung ist der Oberbegriff für eine Reihe von grundlegenden Kompetenzen, die Voraussetzung kultureller und gesellschaftlicher Teilhabe sind. Außerdem werden sie definiert als diejenigen Fähigkeiten, die gegeben sein müssen, damit sich jemand neues Wissen und neue Kompetenzen selbstständig aneignen kann. Zu diesen Kompetenzen gehören vor allem Lesen und Schreiben der deutschen Schriftsprache, aber auch Alltagsmathematik, Grundfähigkeiten im Umgang mit Computern und digitalen Medien, Gesundheitsbildung sowie soziale Grundkompetenzen. Mitunter werden auch grundlegende finanzielle und politische Kenntnisse mit hinzugezählt.

Einige Jahre war für Grundbildungsbedarfe im engeren Sinne – bezogen auf Lesen und Schreiben – auch der Begriff „funktionaler Analphabetismus“ populär. Angestoßen durch die LEO-Studie 2018 der Universität Hamburg – die zugleich die umfangreichste Datenquelle zu Grundbildungsbedarfen in Deutschland darstellt – wird jedoch mittlerweile unter Fachleuten von „geringer Literalität“ gesprochen.

Jede siebte Person im Arbeitsleben hat Grundbildungsbedarf im engeren Sinne

Aus der LEO-Studie wissen wir, dass eine von sieben Erwerbstätigen in Deutschland gering literalisiert ist, und dass hier Personen mit deutscher Muttersprache die Mehrheit darstellen. Hinzu kommt, dass zusätzlich etwa jede fünfte Person im Erwerbsleben zwar nicht im engen Sinne gering literalisiert ist, aber dennoch ein geringeres Lese- und Schreibniveau erreicht, als es mit dem erfolgreichen Abschluss der Grundschule gegeben sein sollte. Zusammengenommen stellt Lesen und Schreiben etwa jede dritte Person im Arbeitsleben vor Herausforderungen – ein zunehmender Trend, da zugleich auch die Anforderungen steigen, insbesondere am Arbeitsplatz.

Link zur LEO-Studie

 

Was ist arbeitsorientierte Grundbildung?

Arbeitsorientierte Grundbildung orientiert sich im engen Sinne an der Anwendungs- und Anforderungspraxis von Schriftsprachlichkeit im betrieblichen Alltag und schließt somit Alphabetisierung und Grundbildung mit ein. Dementsprechend ist von arbeitsorientiertem „Grundbildungsbedarf“ im engen Sinne dann die Rede, wenn eine Person nicht genügend Lesen und Schreiben kann, um den Anforderungen zu entsprechen, denen sie täglich bei der Arbeit ausgesetzt ist; im weiten Sinne umfasst der Begriff auch noch weitere Kompetenzen, die fehlen, um den täglichen beruflichen Herausforderungen gewachsen zu sein – wozu mittlerweile vor allem auch digitale Fähigkeiten gehören.

Insofern die Komplexität und die technischen Anforderungen an das Arbeitsleben jährlich wachsen, verschärft sich das Problem geringer arbeitsorientierter Grundbildung zunehmend. Hierdurch entwickeln sich häufig sehr belastende Situationen für die Betroffenen und aus Angst vor negativen Konsequenzen (wie etwa einer möglichen Kündigung) versuchen sie meist, ihre Probleme und ihren Grundbildungsbedarf zu verdecken, was zu einem Teufelskreis führt, der mitunter dann tatsächlich Auswirkungen auf die Arbeitsstellen der Betroffenen hat. Auch für die Unternehmen und die betrieblichen Interessensvertretungen ergeben sich hierdurch Herausforderungen: Die Umstellung von Arbeitsprozessen und die Einführung neuer, insbesondere computergestützter Methoden wird erschwert, die zunehmenden Dokumentations- und Berichtspflichten werden nur mit arbeitsintensiver regelmäßiger Nachbearbeitung umgesetzt, die stressbedingten Krankheitsfälle mehren sich und die betroffenen Kolleg*innen sind zunehmend abgehängt und unter dem Druck, sich ihre Überforderung nicht anmerken zu lassen, sodass sie sich auch kaum im Betrieb engagieren.

 

Warum ist arbeitsorientierte Grundbildung wichtig?

Die Betriebe wollen ihre Abläufe modernisieren, die Kolleg*innen bleiben auf der Strecke. Der Stress am Arbeitsplatz nimmt zu und im gleichen Maße die Quote krankheitsbedingter Ausfälle. Neue digitale Tools ersetzen zunehmend tradierte Verfahren, werden aber kaum oder fehlerhaft genutzt. In betrieblichen Weiterbildungsangeboten nehmen immer nur die gleichen ohnehin bereits hochqualifizierten Arbeitskräfte teil. Der Fachkräftemangel ist mittlerweile zu einem regelrechten Arbeitskräftemangel geworden, die Unternehmen finden also immer weniger Arbeitnehmer*innen, zugleich können langjährig zuverlässige Kolleg*innen nicht den beschleunigten Entwicklungen Schritt halten.

All diese Probleme hängen auch mit Grundbildungsbedarfen und geringer Schriftsprachlichkeit zusammen. Und all diese Probleme dürften sich deshalb in den kommenden Jahren für alle Beteiligten zunehmend verschärfen, wenn die betroffenen Kolleg*innen nicht von ihren Betrieben mitgenommen werden. Geschäftsführungen und Interessensvertretungen, Aus- und Weiterbildner*innen sowie Personalverantwortliche müssen jedoch nicht tatenlos zusehen, wie der Druck im Kessel ungehindert steigt, sondern können auf ein Sortiment an Maßnahmen zurückgreifen, um die Situation für Betroffene im eigenen Betrieb und zugleich für das Unternehmen zu verbessern: Hierzu gehören etwa die Nutzung möglichst verständlicher Sprache in Wort in Schrift und die Qualifizierung der Kolleg*innen mittels arbeitsorientierten Grundbildungsformaten am Arbeitsplatz, aber auch die Einrichtung vertraulicher Stellen und eines Netzwerks kollegialer Ansprechpersonen, um betroffene Kolleg*innen individuell zu unterstützen und mit Blick auf Weiterbildungspfade zu beraten.

Arbeit und Leben NRW hat im Rahmen mehrerer Projekte seit nun zehn Jahren einige Erfahrungen zu diesen betrieblichen Anforderungen und hilfreichen Maßnahmen gesammelt und wird sich auch in Zukunft für arbeitsorientierte Grundbildung einsetzen.

 

Sensibilisierung für Grundbildungsbedarf

Uns ist auch eine Sensibilisierung in einfacher Sprache wichtig – als Grundlagenwissen in vielen öffentlichen Einrichtungen, bei Personalverantwortlichen oder betrieblichen Interessenvertretungen.
Dazu haben wir hier einen kleinen Text aus dem Buch „Tomaten in der Badewanne“, (Tomaten in der Badewanne, Geschichten von Erwachsenen, die sich die Welt des Lesens und Schreibens erobern, Berlin 2016) der verdeutlichen soll, wie Menschen, die Schwierigkeiten mit dem Lesen und Schreiben haben, ihre Situation wahrnehmen:

 

Menschen wie wir!

Menschen wie wir

wollen nicht für doof gehalten werden.

Menschen wie wir

wollen nicht ausgenutzt werden.

Menschen wie wir

Wollen respektiert werden.

Menschen wie wir

wollen Hilfe bekommen.

Menschen wie wir

brauchen Verständnis.

Menschen wie wir

brauchen Zeit zum Lernen.

Menschen wie wir

wollen teilhaben an dieser Welt

Menschen wie wir

wollen leben wie alle Menschen auf dieser Welt.

Menschen wie wir

Sind Menschen mit vielen Talenten, wir können auch was.

Menschen wie wir

haben nur eine kleine Schwäche:

Wir können nicht gut lesen und schreiben.

Aber das darf nicht der Grund sein, uns auszuschließen aus eurer Welt.

(von Marion Karakelle)

Was macht Arbeit und Leben zu Arbeitsorientierter Grundbildung?

Wir unterstützen Menschen in NRW, die Grundbildungsbedarf am Arbeitsplatz haben. In der Arbeitswelt bringen der Strukturwandel und die Zunahme des Einsatzes digitaler Medien und Datenverarbeitungen neue Anforderungen an alle Beschäftigten mit sich, die mitunter sehr grundlegende Kompetenzen betreffen. Für einige Beschäftigte ergeben sich hierdurch große Herausforderungen, insbesondere, wenn sie deutliche Schwierigkeiten mit dem Lesen und Schreiben haben.

Im Rahmen unserer Grundbildungsprojekte beraten wir die Betriebsparteien zur innerbetrieblichen Förderung arbeitsorientierter Grundbildung, wir setzen mit den Unternehmen Pilotseminare für betroffene Kolleg*innen um, wir bauen Netzwerke kollegialer Ansprechpersonen in den Betrieben auf und unterstützen diese Netzwerke durch Ausbildung, strategische Beratung und Öffentlichkeitsarbeit. Wir fördern verständliche Sprache im Erwerbsleben mit Rat und Tat, entwickeln Weiterbildungskonzepte mit Aus- und Weiterbildner*innen und vernetzen unsere Kooperationsunternehmen untereinander und mit externen Bildungsanbietern vor Ort.

Im Folgenden sind diejenigen Grundbildungsprojekte aufgelistet, die wir derzeit aktiv umsetzen. Bei Interesse an arbeitsorientierter Grundbildung sind wir jederzeit ansprechbar und beraten gern dazu, welches Projekt den spezifischen Bedarfen eines Betriebs am ehesten entgegenkommt – und schnüren auch gern ein Paket aus unterschiedlichen Maßnahmen zusammen, die unsere Projekte anbieten. In jedem Fall sind wir ansprechbar – nun müssen wir nur noch ins Gespräch kommen!