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Häufige Fragen zu Schulungsansprüchen

Die Durchsetzung von Schulungsansprüchen für Betriebsratsmitglieder ist nicht immer einfach. Betriebsräten werden von Arbeitgeber*innen die vielfältigsten Ablehnungsgründe vorgehalten - meistens halten diese einer näheren Überprüfung jedoch nicht stand. Aus unserer langjährigen Praxis haben wir die am häufigsten gestellten Fragen zu Schulungsansprüchen zusammengetragen und von Dr. jur. Reinold Mittag beantworten lassen. Die Antworten sollen dabei helfen, den Einwendungen und Ablehnungen der Arbeitgeber*innen mit Argumenten aus der Rechtssprechung zu begegnen.

"Alle in der Firma müssen sparen"

Ja, aber erforderliche Ausgaben müssen eben sein. Und dazu gehören auch die "Investitionen" in Seminare nach § 37 Abs.6 BetrVG. Denn dies schreibt das Gesetz zwingend vor. Damit ist anerkannt, dass der Betriebsrat seine vielgestaltigen und teilweise schwierigen Aufgaben nur sachgerecht erfüllen kann, wenn auch die Möglichkeit der Schulungsteilnahme besteht.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist dabei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit maßgebend (vgl. Fitting, § 40 Rz. 72, 73). Ein "Grundsatz der Sparsamkeit" wäre etwas anderes! Zwar verpflichtet auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit den BR zur Prüfung der Höhe der Schulungskosten. Dies aber nicht als alleiniges Kriterium, sondern unter Berücksichtigung von Inhalt und Umfang des im Seminar vermittelten Wissens und Vertrauenswürdigkeit des Veranstalters. Der Betriebsrat darf also den zumutbaren Rahmen ausschöpfen.

"Ein Seminar im Jahr reicht"

Eine Jahresgrenze für Seminarbesuche gibt es entgegen häufiger Behauptungen im Gesetz nicht. Entscheidend ist allein, ob die vermittelten Kenntnisse erforderlich sind, damit der Betriebsrat seine gegenwärtigen oder in naher Zukunft anstehenden Aufgaben sach- und fachgerecht erfüllen kann (vgl. Fitting, § 37 Rz. 141).

Im Einzelfall kann es sich zeigen, dass für die Wahrnehmung der Betriebsratsaufgaben mehrere Seminarteilnahmen im Jahr erforderlich sind, und dann sind eben auch mehrere Seminare zu besuchen. Und zwar, auch zeitlich gesehen, dann wenn es erforderlich ist. Eine Verschiebung auf das nächste Jahr ist vom Gesetz nicht gedeckt.

"Ein Seminarthema für ein BR-Mitglied reicht - Das Wissen kann intern weitergegeben werden"

Zum Erwerb der erforderlichen Kenntnisse braucht sich das einzelne BR-Mitglied nicht auf eine interne Weitergabe von Wissen und nicht auf eine Unterrichtung durch ein bereits geschultes BR-Mitglied verweisen lassen. So die Rechtsprechung des BAG (vgl. Fitting, § 37 Rz. 141).

Wenn also der Erwerb von Kenntnissen bei einem bestimmten BR-Mitglied erforderlich ist, soll und kann es diese Kenntnisse durch entsprechenden Seminarbesuch selbst erwerben. Die Gerichte unterscheiden zwischen Grundkenntnissen und Spezialkenntnissen. Für jedes BR-Mitglied erforderlich sind demnach die grundlegenden Kenntnisse, um den mit dem BR-Amt verbundenen Aufgaben überhaupt genügen zu können (vgl. Fitting, § 37 Rz. 163 ff). Spezialkenntnisse in bestimmten Gebieten sollen dagegen nur die innerhalb des BR hiermit beauftragten BR-Mitglieder benötigen (vgl. Fitting § 37 Rz. 163 ff). Spezialseminare können auch erforderlich sein, wenn es eine spezielle betriebliche Sachlage gibt, zum Beispiel bei der Einführung von Prämienentgelt o.ä.

"Es kann immer nur ein BR-Mitglied zu einem Zeitpunkt zum Seminar"

Nach dem Gesetz können durchaus mehrere BR-Mitglieder zum gleichen Zeitpunkt zum Seminar fahren, allerdings mit einer Einschränkung: Gemäß § 37 Abs.6 Satz 3 hat der BR bei der Festlegung der zeitlichen Lage der Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen die betrieblichen Notwendigkeiten zu berücksichtigen. Der Seminarbesuch ist aber nur dann zurückzustellen, wenn die betrieblichen Gegebenheiten bei strenger Prüfung den zwingenden Vorrang haben. Ein solcher Fall wird jedoch nur angenommen, falls eine Vertretung während des Seminarbesuchs nicht sichergestellt werden kann. Nur in einem solchen Fall steht die Pflicht zur Berücksichtigung betrieblicher Notwendigkeiten der Seminarteilnahme mehrerer BR-Mitglieder zur gleichen Zeit entgegen.(vgl. Fitting, § 37 Rz. 238)

"Am Ende der Amtszeit ist kein Seminar mehr erforderlich"

Das Gesetz enthält keine ausdrückliche Einschränkung für Schulungen am Ende der Amtszeit. Auch dann können also erforderliche Kenntnisse durch Seminarteilnahme erworben werden. Allerdings möchten im Streitfall die Gerichte sehr genau erklärt bekommen, wofür diese Kenntnisse denn in der kurzen restlichen Amtszeit noch erforderlich sind. Die Argumentation wird hier zwar schwieriger, ist aber nicht völlig ausgeschlossen. (vgl. Fitting, § 37 Rz. 163)

"Drei bzw. vier Seminare in der Amtszeit sind zulässig"

Das gilt nur für Seminare nach Absatz 7 des § 37 BetrVG: Danach haben BR-Mitglieder Anspruch auf den Besuch von Schulungen, die durch ein Landes-Arbeitsministerium als geeignet anerkannt sind, im Umfang von insgesamt 3 Wochen innerhalb der Amtszeit. Für Arbeitnehmer, die erstmals im Betrieb sind, erhöht sich der Anspruch nach § 37.7 BetrVG auf 4 Wochen.

Davon streng zu unterscheiden ist der Schulungsanspruch nach Absatz 6 des § 37 BetrVG, um den es hier geht. Der Anspruch nach Abs.6 besteht unabhängig von der Regelung in Abs.7 und bezieht sich auf den Erwerb von Kenntnissen, die für die Ausübung des BR-Amtes erforderlich sind. Für den Erwerb von erforderlichen Kenntnissen gibt es keine Einschränkung auf eine bestimmte Anzahl von Seminaren. Es kommt allein darauf an, ob der Erwerb der Kenntnisse erforderlich ist (vgl. Fitting, § 37 Rz. 171, 229).

"Übernachtungen müssen nicht sein, Seminare sollen vor Ort besucht werden"

Nach der Rechtsprechung des BAG ist der - oben bei der 1. Frage bereits kurz besprochene - Grundsatz der Verhältnismäßigkeit maßgebend (vgl. Fitting, § 40 Rz.72). Dies bezieht sich auch auf den Ort der Schulungsveranstaltung, die entsprechenden Kosten und Art und Weise der Durchführung. Im Hinblick auf Reisekosten zu einer weiter entfernt liegenden Schulungsstätte kann es darauf ankommen, ob die Schulung dort eine effektivere Ausbildung ermöglicht, was im Hinblick auf ReferentInnen und/oder Inhalte zu beurteilen ist. Auch braucht nicht abgewartet werden, bis bei einem nahegelegenen Anbieter wieder freie Seminarplätze vorhanden sind (vgl. Fitting, § 40 Rz. 75, 76).

"Das Seminar ist zu teuer"

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht nicht so weit, dass die Kostentragungspflicht von vorneherein auf ein allgemeines und durchschnittliches Niveau festgeschrieben werden könnte. Auch die Kosten überdurchschnittlich teurer Seminare können je nach Seminarinhalt und betrieblichen Verhältnissen in vollem Umfang zu erstatten sein. Dabei ist auch ein Vergleich mit Schulungen für das Management des Betriebs ausdrücklich zulässig (Fitting, § 40 Rz. 73).

"Der BR nimmt das Geld weg, das für innerbetriebliche Bildungsmaßnahmen eingesetzt werden könnte"

Klar ist: Der BR übt sein gesetzliches Amt aus und nimmt kein "Geld weg!"

Innerbetriebliche Bildungsmaßnahmen sind von Betriebsratsschulungen völlig unabhängig. Vom Erwerb erforderlicher Kenntnisse sollen sich BR-Mitglieder nicht abhalten lassen: das BR-Mitglied könnte sonst sogar seinerseits gegen seine Amtspflicht verstoßen (vgl. Fitting, § 37 Rz. 137).

Nach § 119 Abs.1 S.2 BetrVG wird im übrigen bestraft, wer die Tätigkeit des Betriebsrats behindert oder stört. Dazu zählt auch die Forderung, gegen Gewährung von Vergünstigungen an die Belegschaft auf die Ausübung von Mitbestimmungsrechten zu verzichten (vgl. Fitting, § 119 Rz. 7). Denn so könnte das Argument des "Geldwegnehmens" hier verstanden werden.

"BR-Mitglieder fahren nicht wegen der Inhalte zum Seminar, sondern wegen der Freizeit"

Nach der Arbeit kommt die Freizeit. Das ist auch auf Seminaren nicht anders! Unabhängig davon, wie attraktiv der Seminarort auch erscheinen mag, es kommt allein darauf an, dass das Seminar die angekündigten Inhalte vermittelt und dem Erwerb der für die Amtsausübung erforderlichen Kenntnisse dient. Wenn dies gegeben ist, sind die Seminarkosten unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu tragen. Es gibt keinen rechtlichen Gesichtspunkt, unter dem die Motivation der Teilnehmer und der Freizeitwert eines Seminarortes relevant wären. Im übrigen gilt die Verpflichtung zur vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs.1 BetrVG.

"Seminarbesuche sind bei Personalmangel nicht möglich"

Bei vorübergehendem Personalmangel durch einen besonderen Arbeitsanfall, dessen Erledigung nicht hinausgeschoben werden kann (Saisonspitze), kann aufgrund der Rücksichtnahmepflicht zwar eine zeitliche Verschiebung des Seminarbesuchs notwendig sein. Dies darf aber nicht dazu führen, dass die Teilnahme an der Schulung völlig unterbleibt. Wenn daher regelmäßiger Personalmangel anzunehmen und damit eine Beeinträchtigung betrieblicher Interessen ohnehin nicht zu umgehen ist, hat die Schulungsteilnahme des BR-Mitglieds den Vorrang (vgl. Fitting, § 37 Rz. 239). Dann ist also der Seminarbesuch auch bei chronischem Personalmangel möglich.

"Wenn der Arbeitgeber "Nein" sagt, kann das BR-Mitglied nicht zum Seminar"

In vielen Fällen geht dies doch. Nach geltender Rechtsansicht kann das BR-Mitglied zunächst einmal die vom Betriebsrat beschlossene Betriebsratstätigkeit ausüben und damit auch zum Seminar fahren, selbst wenn der Arbeitgeber "Nein" sagt und von Arbeitsverweigerung und unentschuldigtem Fernbleiben spricht. Natürlich muss sich das Betriebsratsmitglied dafür ordnungsgemäß abmelden(vgl. Fitting, § 37 Rz. 250)!

Der Arbeitgeber hat nämlich weder zu bestimmen, was für die Betriebsratsarbeit erforderlich ist und was nicht und ob dazu der Seminarbesuch gehört - diese Frage entscheidet allein das Gericht. Ferner hat der Arbeitgeber auch nicht zu bestimmen, dass aufgrund angeblicher betrieblicher Engpässe der Seminarbesuch unterbleiben muss. Wenn er dies meint, muss er die Einigungsstelle gemäß § 37 Abs.6 Satz 5 BetrVG anrufen, und zwar innerhalb einer Frist von etwa zwei Wochen ab der Unterrichtung durch den BR, und die Einigungsstelle entscheidet dann (vgl. Fitting, § 37 Rz. 244).

Da hier ernsthafte Auseinandersetzungen entstehen können, sollte der BR auf jeden Fall juristische Hilfe einholen.

"Ersatzmitglieder können nicht zum Seminar"

Ja, aber ...! Wenn das Ersatzmitglied regelmäßig und sehr häufig für verhinderte Betriebsratsmitglieder vorübergehend nachrückt, wird eine Teilnahme an einer Schulung ermöglicht werden müssen. Wo genau hier die Grenze verläuft und wie häufig die Inanspruchnahme als Ersatzmitglied sein muss, ist nicht generell geregelt und im Einzelfall zu klären (Fitting, § 37 Rz. 179).
Wenn das Ersatzmitglied aber dauerhaft für ein ausgeschiedenes Betriebsratsmitglied nachgerückt ist, wird es auch im Hinblick auf Schulung wie alle anderen Betriebsratsmitglieder gestellt, kann also auch Seminare besuchen.

"Seminare zu Rhetorik und Verhandlungstechnik sind nicht erforderlich"

Seminare zu Rhetorik und Verhandlungstechnik können durchaus erforderlich sein. Insbesondere für BR-Vorsitzende und StellvertreterInnen, die in der Betriebsversammlung reden bzw. den Tätigkeitsbericht geben. Auch im Hinblick auf die Notwendigkeit, Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zu führen, kann sich die Erforderlichkeit für betroffene BR-Mitglieder ergeben, wie z.B. bei besonders wichtigen Ausschüssen (Fitting, § 37 Rz. 153).

"Wirtschaftswissen ist für Betriebsräte nicht erforderlich"

Auch in Betrieben ohne Wirtschaftsausschuss sind Schulungen zu betriebswirtschaftlichen und betriebsorganisatorischen Fragen erforderlich, wenn hierfür ein konkreter betriebsbezogener Anlass gegeben ist, wie zum Beispiel eine beabsichtigte Rationalisierungsmaßnahme (vgl. Fitting, § 37 Rz. 149 "-betriebswirtschaftliche und betriebsorganisatorische Fragen").

In Unternehmen mit mehr als 100 Arbeitnehmern ist nach § 106 BetrVG ein Wirtschaftsausschuss zu bilden. Zu den Mitgliedern des Wirtschaftsausschusses muss zwingend mindestens ein Betriebsratsmitglied gehören. Zu den erforderlichen Fähigkeiten gehört zum Beispiel, den Jahresabschluss verstehen und gezielt Fragen stellen zu können. Verfügt das BR-Mitglied nicht über betriebswirtschaftliche Grundkenntnisse, sind entsprechende Schulungen erforderlich (vgl. Fitting, § 107 Rz. 25, § 37 Rz. 149 "-Grundkenntnisse der Betriebswirtschaftslehre").

"EDV, PC und Internetseminare sind für Betriebsräte nicht erforderlich"

Heute gehört ein PC wohl zur Standardausstattung eines Betriebsratsbüros. Eine Schulung zur Erledigung von BR-Aufgaben mit dem PC ist erforderlich, wenn diese Kenntnisse benötigt werden, z.B. weil ein PC für die BR-Arbeit angeschafft wird (Fitting, § 37 Rz. 152). Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat der Arbeitgeber ggf. auch einen Zugang zum Internet bereitzustellen sowie die Möglichkeit, Beiträge des Betriebsrats auf einer eigenen Seite im Intranet zur rechtzeitigen und umfassenden Information der Belegschaft zu veröffentlichen (Bundesarbeitsgericht, Beschlüsse vom 03.09.2003, Pressemitteilung Nr. 55/03, www.bundesarbeitsgericht.de). Dann werden auch die entsprechenden Kenntnisse und Schulungen benötigt.

"Der Arbeitgeber kann das Seminar aussuchen und verlangen, dass der BR z.B. das günstigste Angebot wahrnimmt"

Nicht der Arbeitgeber, sondern der BR hat zu entscheiden, welche Schulungs- und Bildungsveranstaltung besucht wird (Fitting, § 37 Rz. 231). Wenn der BR allerdings die Wahl zwischen einer qualitativ höherwertigen, teureren Schulung und einer weniger Vertrauen erweckenden Veranstaltung mit geringeren Kosten hat, ist im Interesse einer sachgerechten Schulung im Zweifel der qualitativ höherwertigen Schulung der Vorzug zu geben, sofern deren Kosten sich nicht im unangemessenen Rahmen bewegen (Fitting, § 40 Rz. 74).

"Der Arbeitgeber äußert sich nicht"

Das geht so nicht. Das Arbeitsgericht wird den Arbeitgeber zur Zahlung verurteilen, wenn es die Erforderlichkeit der Schulung und die Einhaltung der Formalien überprüft hat. Der BR sollte dabei auf jeden Fall fachkundige Unterstützung heranziehen.